20.05.2018

Capturing the bright sides of city nights - Interview mit seb.urb

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Das erste Mal begegnete ich seb.urb auf der Ausstellung zu #dasechtebahnhofsviertel. Natürlich war auch eines seiner Bilder bei der Ausstellung dabei. Wer vermutet, Seb sei ein "normal" gekleideter Instagrammer, so wie es den Erwartungen entsprechen würde, irrt sich.

Bisher habe ich ihn nur in sehr eleganten Anzügen gesehen, ebenso auf der Ausstellung. Ein Grund warum ich bestimmt 3 mal an ihm vorbeigelaufen bin. Ich finde die detailliert, elegante Kleidung passt absolut zu seinem Bildstil. Alles ist sehr genau, sehr scharf, klar und sehr präzise. Ein starker Gelb-Orange-Ton verbindet all seine urbanen Werke. Er macht sich sehr viele Gedanken über seine Fotografie und ist ein wirklich toller Gesprächspartner. Aber lest selbst:

Welche Bedeutung hat Fotografie für dich?

In erster Linie motiviert mich Fotografie dazu, das Haus zu verlassen, mit anderen Leuten in Kontakt zu treten und eine gute Zeit zu haben und neugierig tolle Eindrücke einzufangen – aus urbanen Landschaften als Hobby, von Automobilen, Produkten und Architektur als Business. Man gewinnt mit der Zeit auch ein Auge für das Schöne in der unmittelbaren Umgebung, sodass man seine Umwelt viel bewusster und viel positiver wahrnimmt. Mittlerweile sehe ich auch das unglaubliche Potenzial, mit Fotografie (und anderen visuellen und audiovisuellen Medien) die Verständigung zwischen Menschen zu fördern.

Gold Diggers. - von Seb.Urb

Was ist deine Vision? Was bewegt dich dazu Bilder zu machen?

Menschen treffen Entscheidungen nicht rational, sondern emotional. Fakten und Argumente dienen der (nachträglichen) Rationalisierung einer Entscheidung. Die eigentliche Entscheidung aber passiert auf Grundlage eines diffusen Gefühls der Anziehung, quasi aus dem Bauch heraus. Das wollen wir oft nicht wahrhaben, ist aber der Grund, warum Autowerbungen statt einer tabellarischen Gegenüberstellung technischer Daten Traumwagen auf kurvigen Bergpässen vor atemberaubenden Landschaften zeigen. Starke Bilder haben eine unglaubliche Überzeugungskraft. Mit meinen Bildern baue ich visuelle Brücken zwischen einem Erlebnis im Hier und einem Empfänger in der Ferne. Ich möchte die Persönlichkeit, den Charakter des Erlebnisses (das kann der Eindruck einer Stadt, aber auch eines Produkts oder Services sein) vermitteln. Das mag jetzt etwas widersprüchlich klingen, da ich ja vorwiegend vermeintlich leblose Dinge wie urbane Landschaften, Architektur und Autos ablichte. Und doch repräsentieren sie ganz unterschiedliche Eigenschaften: Pracht, Bescheidenheit, Action, Ruhe, Eleganz oder Sportlichkeit. Ich versuche, diesen Charakter in meinen Bildern einzufangen und für den Betrachter erlebbar zu machen. Jeder Mensch definiert sich bewusst oder unbewusst nach bestimmten persönlichen Werten. Wenn ein Betrachter also mittels eines Fotos eine klare Botschaft über den Charakter eines Motivs erhält, wird intuitiv sein Interesse geweckt, weil es seine Persönlichkeit spiegelt, oder eben nicht. Das ist das angesprochene Bauchgefühl. Ein paar Beispiele: Hong Kong ist eine lebhafte, rastlose Metropole mit einer für Europäer gewissen Exotik. Wer sich also selbst als rastlosen, lebhaften Menschen mit einem Hang zum Exotischen sieht, dem wird Hong Kong gefallen. Der selbstbewusste Sportler mag womöglich BMW, der innovations affine Early Adopter Tesla. Ein gutes Foto muss daher das Wesen des Motivs wiedergeben und unterstreichen. Es bringt dann das Motiv mit demjenigen zusammen, der danach sucht. Insofern sehe ich mich als helfender Vermittler zwischen Anbietern und Nachfragern, die einander sonst womöglich nicht gefunden hätten.

No Peace Beyond the Line. - von Seb.Urb

Welche Fotografen inspirieren dich?

Im Bereich Urban & Street Photography Mike Poggioli (@mpthecomebackid), Kei aka @spatialflow und Louis Schulz, @1st.sholo. Ich bewundere ihre stimmigen Farben und ihre Motivwahl, die die urbane Atmosphäre einfach perfekt einfangen. Durch die Analyse ihrer Fotos habe ich sehr viel gelernt, was meinen Stil mitgeprägt hat. Im Bereich Automotive Photography begeistern mich Frederic Schlosser (@fredericschlosser), Easton Chang (@eastonchang) und Moe Zinal (@actionscripter; hat auch einen sehr empfehlenswerten YouTube-Kanal mit vielen Tutorials).

Welches Equipment benutzt du und warum?

Angefangen habe ich mit einer Nikon D5300, eine tolle Einsteigerkamera. Jetzt schieße ich mit einer Sony A7RII. Die Kamera liefert eine unfassbaren Informationsdichte in den RAW-Files, was mir fast unbegrenzte Möglichkeiten in der Bildbearbeitung gibt. Der Electronic View Finder (EVF) sorgt im Vergleich zu einer DSLR für einen viel flüssigeren und angenehmeren Workflow, weil man die Belichtung noch vor dem Auslösen im Sucher sehen kann. Das ermöglicht mir, mich auf andere Aspekte wie Komposition oder das richtige Timing konzentrieren. Zudem produziere ich auch Videos, hierfür ist die A7RII die perfekte Mehrzweckkamera. Würde ich nur fotografieren, hätte ich es bei einer A7II belassen. Mein meistgenutztes Objektiv ist das Sony-Zeiss 16-35 mm F4. Meine typischen Motive im Bereich Stadt, Architektur und Automotive lassen sich üblicherweise am besten im Weitwinkel einfangen. Bei Fotos für Instagram ist es zudem vorteilhaft, möglichst viel Bild auf kleine Fläche zu bekommen. Auch hier hilft der Weitwinkel. Für speziellere Bild-Looks – etwa, wenn es um Tiefenschärfe oder optische Kompression geht – greife ich auch gerne auf mein Sony-Zeiss 55 mm F1.8 und mein Sony 70-200 mm F4 zurück. Nicht mehr missen möchte ich auch meinen Eizo ColorEdge CG2420 Grafik-Monitor. Ohne den wäre mein akribisches Herausarbeiten der Farben in meinen Bildern unmöglich. Der Monitor hat nach meiner Einschätzung die Qualität meiner Bilder stärker erhöht als der Wechsel von meiner Einstiegs- zur High-End-Kamera. Ich kann daher nur jedem empfehlen, vor einer neuen Kamera in einen farbtreuen Grafik-Monitor zu investieren, zumal das im Vergleich zumeist sogar wesentlich günstiger ist.

Call Incoming. - von Seb.Urb

Wie bearbeitest du deine Bilder?

Für meine Projekte nutze ich die Anwendungen der Adobe Creative Cloud, für Fotografie speziell Lightroom und Photoshop. Meine Instagram-Bilder bearbeite ich in Lightroom auf Grundlage von Presets. Manchen Bildern gebe ich das letzte Finish danach in Photoshop. Bilder, die einem erhöhten Qualitätsanspruch genügen müssen – also insbesondere Auftragsarbeiten – editiere ich komplett in Photoshop.

Hast du Bedenken wenn du fremde Menschen Fotografierst?

Ich fotografiere fremde Menschen meist so, dass man sie auf dem Bild nicht identifizieren kann, also entweder von hinten oder mit verlängerter Belichtungszeit, sodass die Bewegungsunschärfe das Gesicht unkenntlich macht. Ausnahmen sind bestimmte Straßenszenen, auf denen mehrere zufällig Passierende zu sehen sind, hier kommt es mir aber auch weniger auf eine spezielle Person an. Ich bin keiner der Street Fotografen, die es auf bestimmte, auffällige Passanten abgesehen haben. Ich finde das keineswegs verwerflich. Mich interessiert jedoch eher das Einfangen des Gesamteindrucks einer Stadt, also sowohl der Menschen, als auch der urbanen Landschaft, in der sie leben.

Ist Instagram für dich eine professionelle Plattform oder ist es eher eine Werbe-/ Versuchs-Plattform?

Das schließt einander nicht aus, ganz im Gegenteil. Instagram bietet eine hervorragende Plattform, neue Ideen schnell und günstig zu testen und auf Grundlage des Feedbacks der Community zu lernen. Das ist sowohl hilfreich für Hobbyfotografen, die einfach nur ihre Fähigkeiten ausbauen wollen als auch Unternehmen, die wirksame Marketingmaßnahmen entwickeln möchten. Ich nutze Instagram für beides.

Was möchtest du mit dem Teilen der Fotos auf Instagram erreichen?

Am Anfang ging es für mich einfach darum, ein paar coole Bilder von meinen Reisen um die Welt zu zeigen, um einfach ein bisschen sichtbarer für andere zu werden. Darüber habe ich dann schnell sehr viele sehr tolle Menschen kennengelernt. Mit vielen von ihnen bin ich mittlerweile befreundet. Es ist einfach super, in allen möglichen Städten der Welt von London über Singapur bis Shanghai Bekannte zu haben, mit denen man das Hobby Fotografie teilt und mit denen man etwas unternehmen kann. Das Kennenlernen bzw. Kontakthalten von Freunden ist also mittlerweile der Hauptzweck meines privaten Accounts @seb.urb. Daneben ist Instagram natürlich auch eine hervorragende Möglichkeit, sein Portfolio als Fotograf zu präsentieren und Aufträge zu akquirieren. Als Instagramer lernt man natürlich auch einige Tricks des Social Media Marketings, mit denen man wiederum kleineren Unternehmen helfen kann, sich und ihre Produkte und Dienstleistungen bekannt zu machen.

Night After Night. - von Seb.Urb

Wie entscheidest du, welches Bild du teilen willst und welches nicht?

Das Bild soll sich optisch gut in meinen Feed einfügen. Wichtig dafür ist Konsistenz sowohl im Motiv als auch in der farblichen Gestaltung. Ich fotografiere urbane Umgebungen, vorwiegend nachts. Ein Bild einer Tasse Kaffee würde da genauso wenig passen wie ein Haus im strahlenden Sonnenschein. Zudem muss das Bild vor allem in Bezug auf das Motiv natürlich etwas Interessantes bieten, eine kleine Geschichte erzählen oder zumindest einen Wow!-Effekt haben. Das kann ein städtebauliches Wahrzeichen sein, das man aus eine ungewöhnlichen Perspektive in Szene setzt oder eine Straßenszene mit einem stillstehenden Motiv vor Lighttrails. Nicht unwichtig ist auch, ob das Bild sinnvoll im Format 4:5 geschnitten werden kann – dieses Format nimmt die meiste Bildschirmfläche eines Smartphones ein und macht damit das Bild am besten auf Instagram sichtbar. Panoramas werden leider häufig beim Scrollen durch den Feed schlicht übersehen.

Nutzt du noch weitere Plattformen?

Nein, die Logik der Plattformökonomie bedingt ja, dass sich sowohl Produzenten (auf Instagram also Content Creators) als auch Konsumenten auf die größte Plattform konzentrieren, weil sie dort auf die größte Nachfrage bzw. das größte Angebot treffen. Ich fokussiere meine begrenzte Zeit daher schlicht dort, wo ich die meiste Wirkung erwarte – und das ist eben Instagram.

Was würdest du anderen Leuten empfehlen die sich auf Instagram ein Profil aufbauen möchten?

Zunächst ein klares Ziel definieren, was sie mit dem Profil erreichen möchten. Ist es rein privat, um Freunden das eigene Leben zu zeigen? Oder ist es ein Kanal, um früher oder später Kunden und Aufträge zu akquirieren, sei es als Fotograf, Grafiker, Model oder Unternehmer – will man „groß“ werden? In letzterem Fall ist es wichtig, klar für etwas zu stehen und das über den Content auszudrücken. Und mit „etwas“ meine ich nicht eine bestimmte Art von Content, sondern ein Set individueller Werte, Prinzipien und Glaubensgrundsätze. Das Profil sollte eine bestimmte Einstellung oder zumindest ein bestimmtes Lebensgefühl kommunizieren, mit der bzw. dem sich andere identifizieren können. Das macht ein Profil attraktiv für diejenigen, die die eigenen Prinzipien bzw. das eigene Lebensgefühl teilen. So entsteht eine Verbundenheit, die über das reine Produkt bzw. die reine Dienstleistung hinausgehen. Auf Instagram zeigt sich das in nachhaltigem, großem und relevantem Engagement mit der Zielgruppe. Ein schönes Beispiel dafür sind die Profile der bekannten Uhren- und Fashion-Startups. Ihre Fotos zeigen nicht nur das Produkt, sondern vermitteln auch Gefühle wie Abenteuerlust, Unabhängigkeit, Freundschaft und Lust am Leben. Man mag davon halten, was man will, aus geschäftlicher Sicht gibt der Erfolg diesen Unternehmen Recht. Persönlich bin ich ein großer Freund von Authentizität – das heißt das, was man vorgibt zu sein und zu glauben, sollte man auch tatsächlich sein und glauben.

Ich bin aber nicht so naiv zu denken, dass man aber nicht auch mit dem geschickten Spielen einer Rolle große Reichweite auf Instagram erzielen kann. Diese Ansätze gelten nicht nur für Profile von Unternehmen. Und sie sind natürlich auch absolut nichts Neues. Trotzdem scheitern viele an einer erfolgreichen Umsetzung. Das beginnt oft schon damit, dass man mit seinem Engagement auf Instagram weder klare Ziele verfolgt, noch eine konkrete Persönlichkeit bzw. Markenidentität vertritt. Wenn man selbst nicht weiß, für was man steht, wie sollen es dann andere wissen? Bevor man ein Profil aufsetzt, sollte man daher genau überlegen, welche grundlegenden Werte es kommunizieren soll. Dabei sollte man nicht seiner vermeintlichen Zielgruppe nach dem Mund reden, sondern seine eigenen Werte selbstbewusst nach Außen zeigen. Nochmals: es geht darum, diejenigen zu finden, die die eigenen Wert teilen. Wer es jedem Recht machen will, wechselt ständig seine Botschaften und steht am Ende für gar nichts. Erfolgreiche Profile polarisieren – zwischen denjenigen, die daran aus eigenem Antrieb Interesse daran haben und denen, die es nicht haben. Übrigens: Wie man seine Identität nach Außen kommuniziert, also welche Art von Content mit welchem Look auf welchen Kanälen, bietet durchaus Raum für die bereits oben erwähnten strukturierten Experimente. Man braucht also nicht direkt am Anfang Unmengen an Zeit beispielsweise für die Definition eines bestimmten Bildlooks investieren. Man kann hier durchaus etwas spielen, bis man seinen Look gefunden hat. Entscheidend ist, dass die zugrunde liegenden Botschaften konsistent und konstant sind.

Warum eigentlich Frankfurt, ist Frankfurt Fotogen?

Frankfurt ist die einzige deutsche Stadt mit einer echten Skyline und damit für meine Fotografie natürlich eine Art Mekka. Umso praktischer, dass es so nah an meinem Wohnort Mannheim ist.

Welche Unterstützung wünschst du dir von anderen Leuten?

Der regelmäßige fachliche Austausch mit meinen Freunden zum Thema Fotografie ist mir genug. Ansonsten sehe ich es eher als eine Frage, was ich für andere mit meiner Fotografie tun kann.

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