28.06.2025
Streetfotografie – Zwischen Distanz und Vertrauen
- Streetfotografie
- Dokumentation
- Kunst
Warum es manchmal gut tut, Teil eines fremden Blicks zu sein
Ich fotografiere gern auf der Straße, genieße die zufälligen Momente - Streetfotografie ist meine Leidenschaft und dazu gehören auch Menschen, immerhin geht es in dieser Form der Fotografie um Menschliches. Ich liebe das Leben, so wie es passiert, ungeplant und unperfekt.
In Deutschland ist diese Form der Fotografie oft nur akzeptiert, wenn die Bilder in einer Galerie zu sehen sind. Auf der Straße hingegen, mit einer Kamera, begegnet man oft Abneigung, Misstrauen, Unmut und sogar Feindseligkeit. Es ist unerwünscht und unverstanden. Viele Menschen wollen nicht fotografiert werden. Manche sagen es deutlich, andere weichen einfach aus. Einige haben Angst. Manche wissen selbst nicht genau, warum eigentlich. Und dann gibt es da noch die, die vor meine Linse springen – offen, neugierig, manchmal sogar fordernd.
Ich verstehe das – irgendwie
Ich bin ein verständnisvoller Mensch, kann diesen „deutschen Reflex“ bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Die Vorsicht, die Privatsphäre, der Wunsch nach Kontrolle über das eigene Bild. Ich verurteile das nicht. Aber ich frage mich trotzdem oft:
Warum ist das so?
Warum kaufen sich Menschen dokumentarische Fotobücher, gehen in Ausstellungen und erfreuen sich an diesen Bildern, obwohl sie gleichzeitig nicht wollen, dass diese Kunstform mit ihnen passiert?
Ich fotografiere im öffentlichen Raum. Auf Straßen, Plätzen, Märkten – da, wo das Leben spielt. Ich bin sichtbar, freundlich und dankbar für die Momente, die sich mir offenbaren. Und doch: Die Grenzen, die mir begegnen, sind diffus und meist emotional. Geprägt von Vorstellungen und Vorurteilen, die selten hinterfragt werden.
Wie fühlt es sich eigentlich an, fotografiert zu werden?
Diese Frage habe ich mir oft gestellt, um herauszufinden, warum so viel Misstrauen in den Menschen ist. Wie wäre es, ungefragt, auf der Straße? Würde ich es bemerken? Würde es mich stören? Wäre ich verletzt? Oder vielleicht sogar ein bisschen stolz?
Ich bin zu einer Antwort gekommen, die mich nicht wirklich überrascht hat: Ich hätte kein Problem damit. Ich wäre vermutlich sogar gern Teil eines künstlerischen Projekts. Auch wenn ich mich auf Bildern gar nicht unbedingt als „sehenswert“ empfinde. Insbesondere wenn mich jemand mit einer richtigen Kamera fotografiert, hätte ich auch kein Misstrauen. Was mir allerdings nicht gefällt ist, wenn jüngere Menschen alles mögliche für TikTok und Co. filmen um sich darüber lustig zu machen. Anyway.
Und dann kam der Moment, in dem ich mehr oder minder selbst zum Motiv wurde.

Plötzlich war ich auf einem Bild
Ich war wie üblich in Frankfurt unterwegs, Kamera um den Hals, die Augen offen für Motive – wie immer. Schlenderte an einem Café vorbei und nahm aus dem Augenwinkel einen Mann am Café-Tisch wahr. Kamera auf dem Schoß, Hand am Auslöser. Im nächsten Moment sah ich, wie der Auslöser gedrückt wurde. Ich wusste sofort, dass ich auch auf dem Bild war.
Wie gesagt, über einen solchen Moment hab ich schon öfter nachgedacht, bisher war es mir aber noch nie passiert. So hatte ich auch nur eine grobe Idee, wusste aber nicht wie es sich anfühlt oder wie ich reagieren würde.
Die spontane Reaktion: Ich lächelte, zwinkerte und ich sprach ihn an.
Es war ein schönes Gespräch. Offen. Freundlich. Wir haben Kontaktdaten getauscht, und ein paar Tage später hatte ich die Bilder sogar in meinem Postfach – ohne dass ich fragen musste. Und das Beste: Ich mochte sie. Ein ehrlicher Moment auf der Straße, kunstvoll festgehalten. Mir gefällt es, dass ich Teil eines Moments war, den jemand anderes für wertvoll hielt.
Es hat sich gut angefühlt. Kein bisschen übergriffig. Kein bisschen unangenehm. Im Gegenteil.
Wir Streetfotograf:innen wollen nichts Böses
Das ist vielleicht das Wichtigste, was ich sagen will:
Wir machen das nicht, um jemanden bloßzustellen. Wir sind keine Jäger, keine Diebe von Privatsphäre. Wir beobachten. Wir fühlen. Wir sehen Dinge und Momente, die andere übersehen. Wir dokumentieren die Welt und die Momente die passieren.
Am Ende sind ein paar unserer Bilder genau die Zeitzeugen, die ihr in Filmen, in Büchern und in Museen seht. Ohne uns würde es all dies nicht geben.
Und wir wissen, dass ihr genauso an unserem Werk beteiligt seid wie wir. Wir scheuen keine freundliche Konversation. Wir löschen die Bilder, wenn jemand es wünscht, sind ansprechbar und senden die Bilder auch zu. Und wir freuen uns über ein Lächeln, ein kurzes und offenes „Hey, was machst du da?“ oder einfach einen offenen Blick.
Vielleicht tut es gar nicht weh
Ich will niemanden überzeugen, fotografiert werden zu müssen. Aber ich möchte eine Einladung aussprechen:
Fragt euch mal ehrlich, warum ihr dagegen seid.
Habt ihr schlechte Erfahrungen gemacht? Habt ihr Angst vor Missbrauch? Oder ist es eher ein Reflex?
Denn vielleicht – nur vielleicht – tut es gar nicht weh. Vielleicht fühlt es sich sogar gut an, gesehen zu werden. Und vielleicht seid ihr ja längst Teil eines schönen Moments, den ihr selbst noch gar nicht kennt.